POSITION

Positionspapier des Oberhafen e. V., Januar 2013

Worum geht es?

Die Zukunft stellt unsere Gesellschaft und unsere Stadt vor schwerwiegende Herausforderungen. Ressourcenknappheit, soziale Spaltung und eine zu Verwerfungen führende Wirtschaftsordnung sind Ergebnisse der Wachstumsgläubigkeit der vergangenen Jahre.
Für die Lösung der vielfältigen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme sind neue Denkansätze nötig. Gesellschaftlicher Wohlstand kann sich nicht länger ausschließlich an materiellem Zuwachs messen. Neue soziale Kooperationen und nachhaltiges Wirtschaften werden schon heute von vielen Personen, Bewegungen und Regierungen gelebt, propagiert und gefördert.
Für den Wandel zu einer lernenden, nachhaltigen und inklusiven Gesellschaft braucht es glaubhafte Vorbilder in der Stadt. Der Oberhafen kann in diesem Sinne ein Zukunftsprojekt für Hamburg sein. Hier können neue Denkansätze entwickelt und ausprobiert werden. Der Oberhafen wird zum Spielraum für kreatives Handeln für Hamburg.
Der Oberhafen entwickelt sich auch international zu einem Hotspot, indem er Lösungen für die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Probleme von morgen produziert. Insbesondere steigert der damit einhergehende kulturelle Wandel die Begeisterungs- Anziehungskraft des Standortes und erzeugt einen einzigartigen Mehrwert für die Stadt.
Begreift man den Oberhafen als funktionale Einheit, die durch seine geografischen Gegebenheiten vorgeprägt ist, wird er als Gestalt sichtbar und eröffnet Anknüpfungsmöglichkeiten für vielfältige Akteure.

Ansatz

1. Selbstverwirklichung vs. Gemeinschaft: Freiheit und Verantwortung in neuem Gleichgewicht
Kreative Projekte sollen sich im Oberhafen frei entfalten können und wirtschaftlich selbst tragen, aber auch Verantwortung für Gemeinschaftsaufgaben im Oberhafen übernehmen.
Von entscheidender Bedeutung wird sein, gemeinschaftsbildende Werkzeuge und Rituale einzuführen, die den Akteuren ermöglichen, neben der Verfolgung ihrer Eigeninteressen in Verantwortung und Teilhabe die Gemeinschaft im Oberhafen mitzugestalten.
Statt dauerhaft auf staatliche Hilfe angewiesen zu sein, übernehmen die Nutzer des Oberhafens eigenverantwortlich die Organisation ihrer eigenen Belange.

2. Leitplanken: Kluges, nachhaltiges und inklusives Wachstum
Um den Oberhafen als ZukunftWerkStadt für Hamburg zu entwickeln, bedarf es inhaltlicher Leitplanken, die helfen, die absehbaren Herausforderungen der Zukunft anzugehen.
Von der Zukunft her Denken und Handeln bedeutet, den Oberhafen zu einem Standort zu machen, an dem kreative Ideen ausprobiert und umgesetzt werden können, die beispielhaft, am Puls der Zeit und zukunftsfähig sind.
Kluges, nachhaltiges und inklusives Wachstum (smart, sustainable, and inclusive growth) sind Ziele, die in der Agenda 2020 der Europäischen Union verankert sind, an denen sich auch die Projekte im Oberhafen messen lassen müssen.

Klug heißt für uns:
Wir lernen ständig weiter.
Wir orientieren uns am aktuellsten Wissensstand und an anderen zukunftsweisenden Projekten.
Wir kommen zum Wesentlichen.

Nachhaltig heißt für uns:
Der Oberhafen entwickelt sich zu einer langfristig in sozialer, ökonomischer, ökologischer und kultureller Hinsicht funktionierenden, freien und subsidiären Gemeinschaft, man könnte auch einfach sagen: Nachbarschaft, die einen Mehrwert für die Allgemeinheit erzeugt.
Die Einflussnahme städtischer Verwaltung ist zu begrenzen, die Sabotagemöglichkeiten von Einzelnutzern gegenüber dem Gesamtprojekt ebenfalls.

Inklusiv heißt für uns, Fragen zu stellen nach:
Verantwortung für Gemeingüter
Zugang zu Ressourcen
Verteilungsgerechtigkeit

3. Kreative Quartiersentwicklung statt Entwicklung eines Kreativquartiers
Die Herausforderungen, die der Oberhafen an seine künftigen Nutzer stellt (Hochwasser, Heizung, Gemeinschaftsbildung etc.), sind weniger architektonische, als vielmehr soziale Aufgaben, die hier beispiel- und vorbildhaft gelöst werden können. Es nicht sinnvoll, die Nutzung des Oberhafens auf kreativwirtschaftliche Akteure beschränken. Ohnehin kann jeder kreativ sein (Wolf Lotter), jeder ist ein Künstler (Joseph Beuys). Ein Kunstghetto für eine homogene Gruppe von Menschen mit viel kulturellem Kapital, die auch materiell gut gestellt sind unter Ausschluss von Menschen mit wenig Geld oder mit Migrationshintergrund, das sich widerstandslos in eine Idee der „Stadt als Unternehmen und Marke“ einpasst, ist sinnlos.

Umsetzung

1. Festlegung von Rahmenbedingungen und Raumvergabe
Der wirtschaftspolitische Ansatz, kreative Milieus in Hamburg als Standortfaktor durch die langfristige Verhinderung durchgehender Gentrifizierung zu stärken, ist richtig.
Der Oberhafen sollte deshalb aus dem Sondervermögen HafenCity herausgelöst und in eine gemeinnützige, stadteigene Organisationsform, z. B. eine Stiftung umgewandelt werden. Die Stadt braucht, nach einer Anfangsinvestition, keine Zuschüsse mehr zu geben. Die Mieteinnahmen gehen an die Dachorganisation im Oberhafen, die das Gebiet entwickelt. Der Oberhafen trägt sich selbst.
Traditionelle Raumplanungsverfahren werden den Ansprüchen kreativer Akteure zumeist nicht hinreichend gerecht. Stadt weiterdenken bedeutet auch, Planungsansätze neu-, um- und querzudenken, um Teilhabesysteme zu entwickeln und kreative Potentiale zu aktivieren.
Räume müssen dauerhaft offen und wandlungsfähig gehalten werden, um ein lebendiges Quartier zu schaffen. Neue Lösungen für das Zusammenspiel von kurz-, mittel- und langfristigen Raumvergaben können, um den Bedarfen zu entsprechen, nur zusammen mit den Nutzern erarbeitet werden.
Verhaltensregeln zur Vermeidung von Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung, Migranten, Alten, Homosexuellen etc. werden in die Geschäftsmodelle der Einzelakteure eingeschrieben.
Auf dem gesamten Gelände werden barrierefreie Zugänge und Leitsysteme geschaffen.
Singuläre Raumvergaben sind zu vermeiden, alle Raumvergaben stehen inhaltlich miteinander in Verbindung.
Die Akteure weisen nach, dass sie nachhaltig wirtschaften und ein innovatives bzw. kreatives Geschäftsmodell verfolgen, das an oder mit neuen Denkansätzen arbeitet, die der Gesellschaft zu Gute kommen.

2. Anreizsysteme und Förderinstrumente
Um ein kreatives Milieu anzusiedeln, genügen günstige Mieten und Zentrumsnähenicht. Es besteht die Notwendigkeit, Netzwerke zu schaffen, an denen Akteure andocken können, um bedarfsorientierte Unterstützungsstrukturen und Außendarstellungen entwickeln zu können.
Notwendige Ressourcen, die dauerhaft fördernde Strukturen für einzelne kreative Akteure im Oberhafen aufbauen helfen, sind z. B. hauptamtliche Netzwerkmanager, öffentliche Räume, interdisziplinäre Foren, Europagelder, Inkubatoren und Wirtschaftsförderinstrumente müssen zur Verfügung stehen.
Es bedarf neuer Vergabeverfahren, die sich von den üblichen konkurrenzerzeugenden Ausschreibungen unterschieden, damit eine fein gegliederte, kooperierende Nutzergemeinschaft entstehen kann. Dafür braucht es Räume, in denen Prototyping umgesetzt wird, Diskussionsplattformen und eine durch die Nutzer direkt legitimierte Entscheidungsfindung.
Closed Shops, in denen Großnutzer Insellösungen schaffen, die eine gemeinschaftliche Lösung unmöglich machen (z. B. Heizung) oder wichtige, potentiell gemeinschaftsstiftende Ressourcen exklusiv für die eigene Klientel bereitstellen (Werkstätten, Kantine), sind zu vermeiden.
Eine gemeinschaftliche Finanzierung für bzw. Bonuserarbeitung über Projekte, die den Kulturwandel im Quartier und die Kooperation untereinander befördern, z. B. Kulturprojekte, Urban Gardening, Müll sammeln, wird eingerichtet.
Eine lernende Steuerungsstruktur, die von den Nutzern gewählt und eingesetzt wird, sorgt dafür, dass sich der Oberhafen innerhalb der Leitplanken entwickelt.
Experten werden regelmäßig in die Lösung der vorhandenen Aufgaben eingebunden.
Es entstehen neue Modelle der Zusammenarbeit zwischen den Nutzern und zwischen Verwaltung und Nutzern.
Die Leitplanken werden immer wieder auf ihre Aktualität hin überprüft und angepasst, um zu gewährleisten, dass sich der Oberhafen dauerhaft sinnvoll weiterentwickelt.

3. Öffentlichkeitsarbeit
Kunstprojekte aller Art, Forschungsprojekte, Diskussionen und Symposien machen den Oberhafen nicht nur für seine direkten Nutzer, sondern auch für eine breite Öffentlichkeit interessant.
Der Oberhafen entwickelt sich zu einem Ankerpunkt für internationale Austausche.

Rolle des Oberhafen e. V.

Der Oberhafen e. V. ist ein Netzwerk, in dem der von der Stadt beim „Symposium Transformationsraum Oberhafen“ angestoßene Diskurs fortgeführt wird und versteht sich als offenes Forum für alle Stakeholder – Politik, Verwaltung und Bevölkerung.
Hervorgegangen ist der Oberhafen e. V. aus der „AG Leitbild“, die sich im Anschluss an das Symposium gebildet und in den Folgemonaten in wöchentlichen Treffen intensiv über die Zukunft des Oberhafen nachgedacht hat. Im Rahmen der Ausschreibung zur Vergabe der Halle 3 hat sich der Verein gegründet und ein Konzept zur Bespielung der Halle eingereicht.
Der Oberhafen e. V. war seit dem Auftaktsymposium der einzige Träger eines öffentlichen Prozesses zur Transformation des Oberhafens. Er führte u. a. Leitbildworkshops (3 Wochenenden, ca. 120 Teilnehmer), MiniPosien (500 Teilnehmer), einen Tag des Oberhafens (2.500 Besucher), einen Kulturaustausch mit Kopenhagen (160 Teilnehmer) durch, informiert die interessierte Öffentlichkeit durch einen Newsletter, steht mit allen offiziellen Akteuren im Dialog und ist Ansprechpartner und Sammelpunkt für die kreativen Akteure, die im Oberhafen arbeiten möchten. Die Mitglieder des Oberhafen e. V. sind Künstler, Coaches, Betriebswirtschaftler, Markenberater etc. und bringen vielfältige Kompetenzen in den Oberhafen ein.
Der Oberhafen e. V. könnte, in Zusammenarbeit mit der zu gründenden Stiftung Oberhafen, die Gestaltung des Prozesses der Quartiersentwicklung übernehmen.
Er koordiniert die Einwicklung von Raumvergabeverfahren, organisiert die Raumvergabe und gebietsentwicklung.
Der Verein könnte die Halle 4 als Forum für gedanklichen Austausch, Ort für Prototyping und Ausgangspunkt für eine stimmige Quartiersentwicklung betreiben.
Um Transparenz und Teilhabe zu gewährleisten, soll der Prozess mit seinen Teilschritten laufend dokumentiert und veröffentlicht werden.
Aufbau einer Präsenzbibliothek / Wissensallmende.
Der Oberhafen e. V. tauscht sich über Erfahrungen und Lösungsansätze mit anderen nationalen und europäischen Partnern aus.
Der Verein informiert im Internet in verschiedenen Formaten, erzeugt in einem spielbasierten Ansatz Ideen für den Oberhafen und schafft eine breite Gemeinschaft.
Der Oberhafen e. V. führt kreative Akteure zu Interest Driven Communities zusammen. Durch neue Kollaborationen und kuratierende Beratung steigt die Qualität des Arbeitsumfeldes für die einzelnen Akteure.
Perspektivisch bilden sich Netzwerke und Wertschöpfungsketten, für die sich Fördergelder aus Netzwerkförderungen und Mittel aus europäischen Infrastrukturfonds einwerben lassen.
Die Arbeit im Verein, oder jeder anderen Struktur, die das Quartiersmanagement im Oberhafen betreibt, braucht hauptamtliche Mitarbeiter.

Oberhafen e. V.
www.oberhafen-ev.de

bildstein@oberhafen-ev.de

Stand: 17. Januar 2012

Oberhafen Hamburg – Spielraum für kreatives Handeln